2011-11-05

cerf-volant

Écriture automatique

Wut wie Säurefraß in Herz und Seele und Bauch. Zum Schrei gedrängt & ausgeplatzt aus mir. Um mich giftgelb und glühend das Dunkel in Hirn und Leib. Löcher im Denken. Puls setzt aus. Zitternd mein Atem greift nach dem letzten Sauerstoff der Welten – das andere, das Lebensnotwendige, droht grad im Teich zu verkochen.

Blasen aus Angst und Verzweiflung über dem Dunst der Hoffnungslosigkeit. Sinne alle auf NOTAUS gestellt.

Zu Boden geworfen wie Regen, versickernd die Lust im unfruchtbaren Boden der Asphaltspielplätze und Betonwüsten.

Schmerz härtet ab. Deshalb lauft viel Mensch blau angelaufen wie Kruppstahl der noch angelassen wird.

Stahlringe lassen dunkeles Gras verdorren unter der Leichtigkeit der Flammen die der Drache versprüht. Nur Fliegen kann das Arme Tier nicht mehr. Man hat ihm die Flügel ausgerissen und dafür acht Spinnenbeine angetackert. Jetzt weiß das Scheißvieh wie es mir geht wie ich gehe.

Wenn ich am Rand der Klinge stehe und wieder nicht drüberspringen kann. An den Rand der Klippen kann ich ja auch nicht. Konnte mir nie so richtig “die Kante geben”.

Also nahm ich Kant. Die “Prolegomena einer jeden Metaphysik der Sitten” und deren praktische und reine Vernunft nichts anderes war als eine äußerst strenge Bettelei im Befehlston – wie soll man den kategorischen Imperativ sonst in Kanak-Sprack übersetzen?

Ich bräuchte einen Fährmann zur Hölle und von der Hölle weg. Mit einem Rettungsboot. Aber hier ist nichts zu retten. Nicht von hier aus. “Beam me up Scotty!” und weg bin ich.

Im uferlosen Hallenbad, das noch immer nicht geheizt ist und das seine Bahnen wegschwimmen sieht wie die Felle, komme ich wieder zu mir. Ich erkenne mich und sage zu mir “Hallo.” Denn Guten Tag könnte ich mir zwar wünschen aber wie ein guter Tag ist daran kann ich mich nur unter 30 cm Neuschnee erinnern. Und Schnee im Hallenbad ist ja wohl …

Ich fühle mich plötzlich naß wie von innen heraus mich auflösend zerfließend und zerlaufend. Das Wasser schmeckt süß wie das Meer und es schmeckt nach mehr und ich beschließe meine Tränen bis zum Grund auszutrinken.

Wieso ich jetzt Wein? Weil ich plötzlich Mitleid habe mit dem spinnenbeinigen flugunfähigen Drachen dem der Rachen brennt vom Feuerschlucken.

Er weinet mit mir und lieget neben mir am Beckenrand als er zu reden anhebt mit Engelszungen und sich mir vorstellt: “Guten Tag wünsch ich. Ich übrigens bin Deine Trauer …”

In diesem Sinne: Bis neulich!
 

© 2011 - Der Emil. Dieser Text steht unter einer creative common license für Deutschland 3.0
(Namensnennung, keine kommerzielle Verwertung, keine Veränderung): CC by-nc-nd Website

2011-11-03

Jetzt

Ein Slam-Text

 
JETZT.
Könnte ich. Jetzt gleich. Oder
In fünf Minuten könnte ich.
Ich jedenfalls könnte.
Ja. Könnte ich, dann …

DANN
Könnte ich. SO-FORT. Oder
Auch nicht. Könnte ja sein,
Jeder könnte. Vielleicht.
Wirklich jeder könnte.

JETZT.
Oder zumindest: Dann sofort.
Nur ICH, ich könnte JETZT
Oder in fünf Minuten.
Und so weiter
Und SO-FORT …

 

Stehgreif-Slam-Texterei. Sollte ich sowas öfter mal versuchen?

In diesem Sinne: Jetzt, jetzt und nur jetzt leben wir.
 

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Eine verdammt abgefahrene Anfahrt

Ein Slam-Text

Als ich aus dem Haus trete, sehe ich den Bus auf der Straße. Rennen ist nicht drin, nur die Andeutung eines Laufschrittes, die der Chauffeur allerdings bemerkt haben muß. Kurz nach dem Bus erreiche ich die Haltestelle. Die Tür steht wartend offen und schließt sich sogleich, nachdem ich in's Volumen des Gefährtes eindringe.

Ich denke noch: «Da der Bus mich jetzt verinnerlicht hat – bin ich jetzt Bestandteil dieser Technik?» Da muß ich schon die geborgene Wärme verlassen – nur, um mich Sekunden später in eine Straßenbahn zu integrieren.

Lebt die Straßenbahn? Ständig wird der Menschenstoff ausgetauscht: Ist das Stoffwechsel? Einige derjenigen, die aussteigen, ähneln dem Stoffwechselendprodukt. Nur am Geruch muß noch etwas verbessert werden.

Nervös flackert der Wagen mit der Beleuchtung. Der Blinker zuckt, wenn abgebogen werden muß. Dieses Unglück habe ich von mir abgebogen. Der Busfahrer hat das Lenkrad abgelenkt, nicht etwa abgenutzt oder abgebogen.

Auf dieser Bahn werden Straßen hin- und herbewegt: Straßen-Bahn. Immer im festen Geleis. Träumen Straßenbahnfahrer von Fahrten ohne vorgeschriebene Strecke? Vielleicht sollen wir das Vor-Schreiben den Dichtern überlassen, vielleicht gäbe es dann –Endlich! – gereimte Linien und Weichen.

Darauf kann ich mir keinen Reim machen. Wieso muß ich hart bleiben und manchem doch aus-weich-en?

Weich. Hart. Penis. Oh, Entschuldigung: Dieser Gradmesser einer “gewissen” Erregung erregt Menschengemüter. Nun, um das Gewissen zu beruhigen: Ich penetriere gerade die nächste Straßenbahn.

Jetzt muß ich wieder an Rost, schnöden Rost denken, Eisenoxyd. Den habe ich nämlich, als ich in einem früheren Leben in einem anderen Jahrtausend noch Kind war, mit Penetriermittel bekämpfen dürfen. Vorbeugend. Manchmal auch beinahe direkt. Nur das Gröbste runterputzen und einfach auf die Metallteile streichen.

Und ich? Das Gröbste von mir abgebürstet. Mein Gewissen. Den Verstand. Oder wenigstens den einfach ausschalten und losschreiben in Bus und Bahn.

Ich steig jetzt aus, bin ja am Ziel.

Es war Eine verdammt abgefahrene Anfahrt.

In diesem Sinne: Bis neulich!

© 2011 - Der Emil. Dieser Text steht unter einer creative common license für Deutschland 3.0
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P.S.: “Automatisches Schreiben” in Bus und Bahn funktioniert. Oder?