2012-05-20

Einwortblog in 375 Wörtern

Gehirnlüftchen

Ein Wort fiel mir auf. Eines. Mehrfach hörte ich es in kürzester Zeit in der Straßenbahn und auf dem Weg zum Saaleufer.

Uns so notierte ich einen Tag lang, was mir zum Wort einfiel: Jeder einzelne Absatz ist eine Art automatisches Schreiben gewesen.

 

Platz: Ort, an den ich gehöre? Gibt es in Zeitabläufen oder Hierarchien Orte? Etwas, das ich mit meinen Fähigkeiten und meinem Unvermögen auszufüllen gezwungen werde. Das alles ist alternativlos.

Platz: Freie Fläche, insbesondere in Siedlungen. Festgelegtes, überliefertes Areal, dem eine bestimmte besondere Bedeutung zugemessen wird. Sechs Zoll Grusel, eine Spanne Gläubigkeit, 21 cm Heilkraft. Galgenberg, Hexentanzplatz, Dorfanger, Markt.

Platz: Kommando, daß dem Hund signalisiert, er soll sich hinlegen, sofort, augenblicklich. Und alles andere soll ebenso plötzlich uninteressant werden für ihn, obwohl es doch so gut riecht. Jedenfalls muß der Hund um Platz nicht kämpfen …

Platz: Ort, Stelle, da, wo ich mich gerade befinde. Speziell in der Form des Sitz-Platzes in Eisenbahn, Flugzeug, Bus, Schiff, Straßenbahn manchmal sogar reservierungspflichtig, als Steh-Platz im Stadion oder im Konzert oder als Flug-Platz oder Park-Platz oder noch schlimmer als Bolz-Platz. Aber wie reserviere ich einen Platz ohne Handtuch?

Platz: Das, was im Biblischen Zeitalter fehlte in der Herberge und heute in der Saison in den Jugendherbergen, was schwer erhältlich war für die Ferien vom FDGB. Auch auf dem Zelt-Platz sind die Plätze rar …

Platz: Was ich mir für mich in meinen Träumen schaffe und mit meinen geschriebenen und gesprochenen Worten für mich reklamiere; was um mich herum frei sein soll für mich.

Platz: Die Aufforderung, den inneren Druck in einer momentischen Ausdehnung des eingenommenen Raumes durch normalerweise unumkehrbare Zerlegung der Grenzfläche in kleine Teile und deren Beförderung vom Zentrum des ursprünglich eingenommenen Raumes hinweg und hinaus in die weite, weite Welt auszugleichen, zu verringern.

Platz: Poetisch legalisierte Ansammlung träumender Zeitgenossen …

Platz: Ruft der, der meint, freien Weg fordern zu dürfen, wenn es durch Menschenmengen den Weg zu finden gilt. Wirkungsvoll war es früher, als die Elefanten des Sultans noch mitliefen. Heute verhallt der Ruf im allgemeinen Volksgemurmel.

 
 

Platz.

Freiraum.

Öffentlicher Freiraum.

Öffentlicher Raum.

In diesem Sinne: reklamiert, reserviert und schafft Platz für Euch und euer Leben.

© 2012 - Der Emil