2011-11-03

Eine verdammt abgefahrene Anfahrt

Ein Slam-Text

Als ich aus dem Haus trete, sehe ich den Bus auf der Straße. Rennen ist nicht drin, nur die Andeutung eines Laufschrittes, die der Chauffeur allerdings bemerkt haben muß. Kurz nach dem Bus erreiche ich die Haltestelle. Die Tür steht wartend offen und schließt sich sogleich, nachdem ich in's Volumen des Gefährtes eindringe.

Ich denke noch: «Da der Bus mich jetzt verinnerlicht hat – bin ich jetzt Bestandteil dieser Technik?» Da muß ich schon die geborgene Wärme verlassen – nur, um mich Sekunden später in eine Straßenbahn zu integrieren.

Lebt die Straßenbahn? Ständig wird der Menschenstoff ausgetauscht: Ist das Stoffwechsel? Einige derjenigen, die aussteigen, ähneln dem Stoffwechselendprodukt. Nur am Geruch muß noch etwas verbessert werden.

Nervös flackert der Wagen mit der Beleuchtung. Der Blinker zuckt, wenn abgebogen werden muß. Dieses Unglück habe ich von mir abgebogen. Der Busfahrer hat das Lenkrad abgelenkt, nicht etwa abgenutzt oder abgebogen.

Auf dieser Bahn werden Straßen hin- und herbewegt: Straßen-Bahn. Immer im festen Geleis. Träumen Straßenbahnfahrer von Fahrten ohne vorgeschriebene Strecke? Vielleicht sollen wir das Vor-Schreiben den Dichtern überlassen, vielleicht gäbe es dann –Endlich! – gereimte Linien und Weichen.

Darauf kann ich mir keinen Reim machen. Wieso muß ich hart bleiben und manchem doch aus-weich-en?

Weich. Hart. Penis. Oh, Entschuldigung: Dieser Gradmesser einer “gewissen” Erregung erregt Menschengemüter. Nun, um das Gewissen zu beruhigen: Ich penetriere gerade die nächste Straßenbahn.

Jetzt muß ich wieder an Rost, schnöden Rost denken, Eisenoxyd. Den habe ich nämlich, als ich in einem früheren Leben in einem anderen Jahrtausend noch Kind war, mit Penetriermittel bekämpfen dürfen. Vorbeugend. Manchmal auch beinahe direkt. Nur das Gröbste runterputzen und einfach auf die Metallteile streichen.

Und ich? Das Gröbste von mir abgebürstet. Mein Gewissen. Den Verstand. Oder wenigstens den einfach ausschalten und losschreiben in Bus und Bahn.

Ich steig jetzt aus, bin ja am Ziel.

Es war Eine verdammt abgefahrene Anfahrt.

In diesem Sinne: Bis neulich!

© 2011 - Der Emil. Dieser Text steht unter einer creative common license für Deutschland 3.0
(Namensnennung, keine kommerzielle Verwertung, keine Veränderung): CC by-nc-nd Website

P.S.: “Automatisches Schreiben” in Bus und Bahn funktioniert. Oder?

5 Kommentare:

Unknown hat gesagt…

Ja. Funktioniert hervorragend.

Anonym hat gesagt…

Sehr schön. Diese Technik habe ich in meinem Schreib-Workshop auch gelernt.

Der Emil hat gesagt…

Hm, Technik ... nicht gelernt, einfach drauflosgeschrieben ... 's müßt' mir halt mal jwemand erklären ;-)

Anonym hat gesagt…

Guckst du hier

Anonym hat gesagt…

Danke für den Link - im Moment bin ich nichtmal zur Wikipedia-Suche fähig ...

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